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ALU, STOFF UND SCHWERE PANZER.Jardin des Mods,1989(Germ)

Die neue Freiheit in der sowjetischen Kultur bringt nun auch die Mode einer neuen Modeschöpferge­neration auf den Laufsteg. Und diese jungen Gestalter aus Musik und Malerei, Tanz und Theater bekennen sich klar zur Avantgarde - ein Manifest gegen das Grau der Vergangenheit. Es zeichnet sich ab: Wenn Russland anfängt auszupacken, kann die Londoner «Street fa sh io n» einpacken.

Moskau, fruhmorgens. Die Stadt be­ginnt sich langsam zu regen. Es ist sieben Uhr, die Zeit der griesgrämi­gen und halbwachen Arbeiter. Im Gedränge der Metro bei jedem Halt dasselbe eintönige Schauspiel: Stie­fel, Mantel, Tschapkas, einer wie der andere. Mude Gesichter, mude Klei­der.

Seit 1987 sind zudem «genossen­schaftliche Couture-Ateliers» er­laubt: Ihre Modelle sind austausch­bar, die Etiketts tragen westliche Namen. Mit handgestrickten «Adidas»-Mutzen bekennt man sich zum Markenbewusstsein.

Katia Mikoulskaia: russische Lolita

Aen Lauen tragen kaum zur modi­schen  «Chic ä la russe» gegen «Western look» Doch da gibt es die Jugend. Und die will raus aus der Uniformität. Ihre Hauptinspiration findet sie in den Kleidern der Westtouristen. Der dynamische Schwarzmarkt liefert Information und Material. Der Look der Moskauer Jugend steht dem ihrer westlichen Klcinstadtgc- nossen nicht nach.

Im Kreis der «gehobenen» Dreissig- bis  Kreativitat bei. Auch nicht die Preise: Ein paar Stiefel ist fur ein durchschnittliches Monatsgehalt von 120 Rubel (etwa 380 Franken) zu haben, ein Kleid kostet um die sieb­zig. Vierzigjährigen demonstriert , man «chic ä la russe», für Exzentri­sches ist allerdings kein Platz. Aus­genommen bei den Farben: Rot, Rosa und Violett leuchten um die Wette. Die mondäne Russin fasst in staatlichen Ateliers arbeiten, die zwar nicht das Prestige des Schwarz­markts gemessen, dafür aber höhere

Qualität und niedrigere Preise bie­ten. Am berühmtesten ist noch immer das Modehaus des Couturiers Slava Zaitsev. Anfang der achtziger Jahre wurde er als der «Mann, der die rus­sische Mode revolutionierte» be­kannt. Doch seine Modelle zeugen eher von seinem Sinn für Qualität denn von Innovation - es bleibt ein Eindruck von Deja-vu.

Trotzdem: Zaitsevs «Revolution» hatte Signalwirkung. Beim Mode­festival, das 1987 stattfand, waren 30 Modehauser aus der ganzen Sowjet­union vertreten. Zum erstenmal triumphierte während dreier Tage auf dem Laufsteg die Mode; verges­sen wurden weder die vollschlanke Frau noch das Kind, weder Pelze noch Brautkleider aus Spitzen. Der dekadenten Ambiance eines Plusch­salons hat man die gesunde Atmosphare einer Turnhalle vorge­zogen. Das Defilee beginnt mit Liena Khoudiakova, der Enkelin von Varvara Stepanova. Einer beruhmten Stylistin der zwanziger Jahre. Khou­diakova inspiriert sich an den Modellen ihrer illustren Vorfahrtn. kreiert futuristische, geometrisch bedruckte Roben. Ihre neuste Kol­lektion. ganz in Grau Weivs und Metall, nennt sie «prosaisches Ge­wand». Unter den fünf interessante­sten jungen Modeschöpfern bleibt Liena Khoudiakova der herkummli­chen Vorstellung von. Bekleidung am stärksten verhaftet.

Lebenslust - nichts für Moskaus Strassen

Lebenslust verspruht dagegen die Mode der 22jahrigen Architektur­studentin Katia Mikoulskaia Sie setzt die verschiedensten Materia­lien wie Puzzlestücke zusammen, verwendet Armeeuniformen und Secondhand-Kleider. Die alten Stof­fe fügen sich zu neuen, verführeri­schen Kleidern zusammen, in denen sich das Nötige mit Kapriolen paart: Kreationen für moderne Lolitas. Obwohl sic schon ein Renommee im In- und Ausland genicsst. verhin­dern einstweilen die säuerlichen Blicke der Passanten, dass ihre Klei­der auf den Strassen Moskaus getra­gen werden.

Ernst und seriös erscheint auf den ersten Blick der Stil von Katia Filip­povas Modellen. Die 27jahrige lebt von Illustrationen und Maquetten fur Verlage, doch ihre Kreationen haben sie bereits zur bekanntesten unter den Avantgarde-Stylisten wer­den lassen. Seit nunmehr drei Jahren in der Mode tätig, zeigt sie ihre Mo­delle regelmässig bei verschiedenen Anlässen und Konzerten. Sie bevor­zugt Schw arz. Gold und Silber, spielt mit den Kontrasten von schweren, warmen Stoffen und kühlem Metall. Ketten, Halsbander, hohe Stiefel aus Glanzleder, tief ausgeschnittene Lackklcider - Filippovas Stil bewegt.

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